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Digitaler Geschäftsbericht – Vor- und Nachteile

Nicolas Schöneich
Digitaler Geschäftsbericht – Vor- und Nachteile:

Börsennotierte Unternehmen müssen Geschäftsberichte veröffentlichen, viele andere Unternehmen und Institutionen tun es freiwillig. Sie legen Rechenschaft ab und positionieren sich gegenüber Aktionären, Gremienmitgliedern, Medien und der interessierten Öffentlichkeit.

Auch bei Geschäftsberichten geht der Trend klar zum Digitalen. Denn Webseiten können den eigentlichen Kern solcher Berichte – den trockenen Zahlenteil – nutzerfreundlich verpacken. Vor allem aber bieten sie Unternehmen und Institutionen viele Möglichkeiten, durch ergänzenden Content ihr Image gegenüber breiteren Zielgruppen zu pflegen.

Die zentralen Vor- und Nachteile digitaler Geschäftsberichte haben wir in diesem Beitrag zusammengefasst.

Vorüberlegung: PDF, 1:1-Abbildung oder eigene Webseite?

  • Wenn Sie aus Ihrem gedruckten Geschäftsbericht ein PDF erzeugen und auf Ihrer Webseite einbinden, ist das zwar digital. Es ist aber, als hätten Sie die Zehenspitzen ins Becken gehalten und behaupten anschließend, dass Sie im Wasser waren: Das ist bestenfalls ein Anfang. Eine PDF ist ein abgeschlossenes, statisches Digitalprodukt, das man durchsuchen und markieren kann, das aber sonst das Potenzial echter digitaler Berichte kaum ausnutzt.
     
  • Einen Schritt weiter gehen Sie mit einer 1:1-Übertragung Ihrer Printinhalte auf eine Webseite. In fertige Templates zum Beispiel für Wordpress können Sie Texte und Fotos einbauen und Ihre Kapitelstruktur übernehmen. Auch hier ist der Mehrwert gegenüber dem Printbericht überschaubar. Immerhin sieht Ihr digitaler Geschäftsbericht aber nicht mehr aus wie ein konvertiertes Druckdokument.
     
  • Der eigentliche Paradigmenwechsel besteht darin, einen Geschäftsbericht von Anfang an digital zu denken und nicht als Anhängsel eines Druckprodukts. Nur so entsteht ein digitaler Geschäftsbericht, der alle Vorteile einer Webseite ausnutzt.

Vorteile eines digitalen Geschäftsberichts

Breitere Zielgruppen erschließen

Ein gedruckter Geschäftsbericht wird in feststehenden Auflagen verschickt und verteilt – es gibt klar umrissene Adressatenkreise. Aber was auf einer Webseite steht, ist prinzipiell für jeden da. Der digitale Geschäftsbericht ist deshalb eine Chance für Unternehmen und Institutionen, die eine breitere Öffentlichkeit erreichen wollen:

  • Er kann technisch und redaktionell suchmaschinenoptimiert werden.
  • Er lässt sich verlinken und in Social Media ganz oder ausschnittweise teilen.
  • Er kann zunächst vom Unternehmen über Push-Formate, wie zum Beispiel Newsletter, beworben werden. Seine Verbreitung kann sich aber auch verselbstständigen, wenn er gut gemacht ist.

Zahlen einordnen, Image steuern

Grafik Digitalisierung

Digital lassen sich sogar die oft drögen Pflichtteile von Geschäftsberichten ansprechend und nutzerfreundlich verpacken. Das umfangreiche Zahlenwerk mit Tabellen, Kurven und anderen Diagrammen können User erschließen über Suchen, Filter, Vergleichen-Funktionen, Exportmöglichkeiten oder andere Tools.

Punkte sammelt der digitale Geschäftsbericht aber vor allem beim Image. Die Trends, Stories und Ereignisse, die ein Geschäftsjahr geprägt haben, sind gerade jenseits der Kernzielgruppe Investoren und Aktionäre spannend und imageprägend für das Unternehmen. Sie lassen sich als Interviews, Reportagen oder Produktgeschichten multimedial anreichern oder komplett als Video, animierte Grafik, mit GIFs oder Fotos erzählen.

Cover_Geschäftsbericht_IW connect

Tipp: Am besten werden solche Formate schon im Laufe eines Geschäftsjahres produziert und folgen einem vorab festgelegten Narrativ, zum Beispiel „Nachhaltigkeit“ oder „Internationale Zusammenarbeit“. Aus einem nachträglichen „Was haben wir denn und können wir zweitverwerten“ und einer zurechtgestrickten Idee entsteht meist kein überzeugendes Konzept.

Für börsennotierte Unternehmen sind Zahlenteile die Pflicht, Image-Inhalte sind die Kür. Alle anderen Firmen und Organisationen, die berichten wollen, haben die Wahl, worauf sie ihren Fokus legen. Die IW Medien hat für ihre Muttergesellschaft, das Wirtschaftsforschungsinstitut IW, zuletzt einen imagegetriebenen Onlinebericht konzipiert. „IW connect“ enthält zwar auch Zahlen. Hauptsächlich geht es aber um die Aktivitäten und Themen, die das Geschäftsjahr des IW und seiner Tochtergesellschaften geprägt haben. So ist eine Mischung aus Rechenschaft gegenüber den Trägern des Instituts sowie Imagebildung gegenüber Politik, Medien und anderen Instituten entstanden.

Komplexität reduzieren

Beispiel IW connect Twitter

Content-Formate wie Erklärvideos und animierte Grafiken können komplexe Themen und Zusammenhänge in digitalen Geschäftsberichten herunterbrechen und zielgruppengerecht vermitteln. Neben der Erklärfunktion unterstreichen sie die Persönlichkeit Ihres Unternehmens und liefern zugleich eine gern geteilte Content-Art in den sozialen Netzwerken. Auch Animationen tragen einen wesentlichen Teil zu einer positiven Nutzererfahrung bei. Die Formate helfen also nicht nur den Lesern Ihres Geschäftsberichts, sondern schaffen Aufmerksamkeit, Reichweite und ziehen potenzielle Leads an. Beim Texten ist Selbstdisziplin gefragt: Geht es um Fakten und konkrete Entwicklungen, ist kürzer besser. Gerade Botschaften, auf die es Ihrem Unternehmen besonders ankommt, sollten als snackable Content schnell und leicht konsumierbar, einprägsam präsentiert und einfach teilbar sein.

Transparenz stärken

Denken Sie dies von Beginn an mit bei der Konzeption Ihres digitalen Geschäftsberichts, sinkt auch insgesamt die Flughöhe des Produkts: Ein digitaler Bericht sollte nicht nur für Spezialisten wie Anleger und Wirtschaftsjournalisten gemacht sein. Er sollte jedem Leser interessante Einblicke in eine Organisation und deren Tätigkeiten bieten. Begreifen Sie Ihren Geschäftsbericht also nicht als lästige Pflicht für anonyme Shareholder – sondern als einen wichtigen Baustein im Außenauftritt Ihres Unternehmens, mit dem Sie gezielt Ihr Image beeinflussen können. Natürlich vorausgesetzt, Sie haben ein Interesse an Transparenz und keine  Milliardenlöcher in Ihren Bilanzen.

Content nachprüfen

Grafik_Erwähnungen in den Medien

Nutzerfreundlich und transparent bedeutet nachprüfbar. Informationen aus einem Online-Geschäftsbericht sind rasch durchsucht, kopiert und nachrecherchiert. Das ist ein guter Service für Ihre User, kann aber auch dazu führen, dass Aussagen und Angaben hinterfragt oder gar widerlegt werden. So gesehen, macht Ihr digitaler Geschäftsbericht Sie womöglich angreifbarer als ein gedruckter – Sie können aber rasch reagieren und kritisierte Inhalte klarstellen oder verändern.

Insights gewinnen

Es klingt so, als wäre ein digitaler Geschäftsbericht für seine User ein Gewinn und für die Verantwortlichen in der Kommunikation und den Investor Relations vor allem viel Arbeit. Das ist richtig. Aber gerade Kommunikationsabteilungen gewinnen auf diesem Wege auch etwas: wertvolle Insights über ihre Zielgruppen.

Ein gut aufgesetztes Tracking Ihres digitalen Geschäftsberichts bietet Ihnen viele Möglichkeiten:

  • Wie viele Nutzer kommen auf die Seite?
  • Von wo kommen sie?
  • Wie lange bleiben sie?
  • Wie viele Seiten lesen sie?
  • Wie weit nach unten scrollen sie auf welchen Seiten?
  • Gibt es typische Navigationswege, also welche Themen interessieren in welchem Zusammenhang?
  • Welche Features werden genutzt?
  • Über welche Social-Media-Kanäle verbreiten sich Inhalte?
  • Welche Content-Formate sind beliebt?
  • Und was interessiert niemanden?

Daten hierzu helfen den Verantwortlichen, ihr Reporting stetig auf die Userinteressen zu optimieren. Wer noch einen Schritt weiter gehen will, baut eine Nutzerumfrage ein, schafft Kontakt- oder sogar Kommentarmöglichkeiten unter den Inhalten.

Ressourcen schonen

Gedruckte Geschäftsberichte verbrauchen Papier, sie entstehen mit mehr oder weniger ökologischen Farben auf mit mehr oder weniger Ökostrom betriebenen Maschinen, werden in Lkw durchs Land gekarrt und enden schlimmstenfalls sehr rasch im Altpapier. Vor diesem Hintergrund stellen manche Unternehmen Printkommunikation inzwischen grundsätzlich infrage. Ein digitaler Geschäftsbericht kann sich daher auch in die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens oder einer Institution einfügen.

Nachteile eines digitalen Geschäftsberichts

Vorüberlegungen treffen

Ein digitaler Geschäftsbericht erfordert viele Vorüberlegungen. Ihm fehlt das quasi Zeremonielle eines gedruckten Berichts, den Nutzer üppig gestaltet und haptisch ansprechend verarbeitet aus der Post ziehen oder auf der Hauptversammlung in Empfang nehmen. Und egal, ob zwischen den Umschlagseiten ein überzeugendes Konzept steckt: Der gedruckte Bericht ist erstmal da und wird deshalb durchgeblättert.

Der digitale Geschäftsbericht muss dagegen mit einem durchdachten inhaltlichen, technischen und Vermarktungskonzept überzeugen. „Nur Zahlen“ werden, wie oben geschildert, online kaum funktionieren. Ein digitaler Geschäftsbericht braucht eine darüber hinausgehende Idee, eine Dramaturgie, die sich in Gestaltung, Nutzerführung und Inhalten zeigt – damit die Nutzer die genannten Vorteile eines Digitalprodukts auch erleben können.

Kosten schultern

Daraus folgt: An einem digitalen Geschäftsbericht sind mehr Abteilungen intern und/oder externe Dienstleister beteiligt als an einem gedruckten Bericht. Das erhöht die Planungs- und Abstimmungsaufwände und damit die Kosten. Ein digitaler Geschäftsbericht ist also nicht automatisch billiger als ein gedruckter. Zwar sparen Sie sich die Druck- und Vertriebskosten. Aber dafür sollten Sie in Programmierung, Design, Nutzerführung, Features und vor allem vielfältigen Content investieren, der die Stärken des Mediums Webseite ausnutzt.

Aufmerksamkeit schaffen

Ihr digitaler Geschäftsbericht  konkurriert um die Aufmerksamkeit der User: mit anderen Inhalten auf Ihrer Corporate-Webseite, aber auch mit Abermillionen Inhalten auf anderen Webseiten, die Ihre User vielleicht gerade viel lieber lesen wollen.

Betrachten Sie Ihren digitalen Geschäftsbericht also nicht als ein isoliertes Highlight Ihrer Kommunikation. Verlinken Sie ihn deutlich sichtbar auf Ihrer Homepage. Bewerben Sie den digitalen Geschäftsbericht in Social Media und nutzen Sie auch Push-Kanäle wie Ihren Presseverteiler, um Aufmerksamkeit für den Bericht zu erzeugen.

Auch eine gedruckte Hinleitung auf den digitalen Bericht kann sich lohnen: Nutzen Sie die haptischen Vorteile zum Beispiel einer schmalen Broschüre, die Sie an Ihre Stakeholder versenden oder verteilen. So ist Ihnen deren Aufmerksamkeit gewiss und sie haben buchstäblich etwas in der Hand, das die Geschäftsberichts-Webseite anteasert und als Erinnerung dient. Diesen Weg eines hybriden Berichts ist IW Medien zuletzt auch bei „IW connect“ für das Institut der deutschen Wirtschaft gegangen.

Zielgruppen ausschließen

Ein digitaler Geschäftsbericht kann neue Zielgruppen erschließen (s.o.), er kann aber auch einen Teil Ihrer Stammleserschaft ausschließen. Nicht alle Stakeholder und Anteilseigner sind digitalaffin, können und wollen die Vorteile einer Webseite ausnutzen. Bedenken Sie zum Beispiel, dass nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts zuletzt mehr als ein Drittel aller Aktienbesitzer älter als 60 Jahre war. Das kann die Entscheidung beeinflussen, ob Sie auf Digital und/oder Print setzen. Es sollte aber auf jeden Fall beeinflussen, wie Sie einen digitalen Bericht aufsetzen: Sind Schriftgrößen, Bildgrößen, Farben, Kontraste usw. für alle Leser erkennbar? Sind die Funktionalitäten, die Sie einsetzen, bereits erlernt oder zumindest leicht erlernbar?

Vergängliche Inhalte

Bilder vom Geschäftsbericht für Gesamtmetall
Für den Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat IW Medien einen gedruckten Geschäftsbericht erstellt.

Zuletzt etwas Psychologisches: Wir erleben oft, dass Kunden aus Tradition am gedruckten Bericht festhalten. Weil „man dann was in der Hand hat“. Was gedruckt wird, gilt als verbindlich, man kann es präsentieren und übergeben, anfassen und archivieren. Ein digitaler Geschäftsbericht kann dagegen flüchtig wirken, ständig veränderbar und deshalb vergänglicher. Auch stellen manche die Frage nach dem Gegenwert für ihre Investition, der ja beim Print-Berichtbuchstäblich greifbar wird.

Je nach Vorgeschichte und Interessenlage beim Absender ist deshalb ein schrittweiser Einstieg in die digitale Geschäftsberichtserstattung ratsam. Print plus PDF, Print plus blätterbare PDF, Print plus 1:1-Abbild auf einer Webseite, abgespecktes Printprodukt als Wegweiser zum Digitalbericht, ausschließlich digitaler Bericht – alle Abstufungen sind denkbar. Welche für Sie am besten passt, entwickelt IW Medien gerne mit Ihnen.

Nicolas Schöneich

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Nicolas Schöneich
Senior Concepter der IW Medien

Finde Floskeln furchtbar, Phrasen phasenweise phantasievoll. Drei Dinge, die ich gut kann, sind lesen und schreiben; rechnen nicht so.

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