Olympia 1972 und Steve Jobs

Axel Rhein
Olympia 1972 und Steve Jobs:

Olympia 1972 und Steve Jobs

Dieser Tage ist es 50 Jahre her, dass die Olympischen Spiele in München stattfanden. Die veröffentlichten Rückblicke widmen sich vielen Facetten – den tollen Leistungen der deutschen Sportler wie Ulrike Meyfarth, Klaus Wolfermann und Heide Rosendahl, der fantastischen Architektur von Günter Behnisch, dem schrecklichen Terroranschlag auf die israelische Mannschaft, dem jähen Stimmungsumbruch der zuvor so heiteren und entspannten Spiele, dem mit den Spielen verbundenen Aufstieg Münchens zur Weltstadt. Für die Kommunikationsbranche ist noch ein anderer Aspekt bedeutend: Olympia 1972 brachte den Durchbruch des Corporate Designs in Deutschland. Und interessanterweise hatte im selben Jahr an der amerikanischen Westküste eine Entwicklung ihren Ursprung, die für unsere visuelle Wahrnehmung heutzutage ebenso wichtig ist wie das, was Otl Aicher und sein Team geschaffen haben.

Otl Aicher setzt auf Piktogramme

Aicher schuf als Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Spiele ein einheitliches Design bzw. Erscheinungsbild, das über das Logo, die verwendeten Farben, Schrifttypen und Symbole bis hin zur Kleidung der Hostessen und dem Design der Eintrittskarten reichte. Die gesamthafte Gestaltung setzte Maßstäbe, die die visuelle Kommunikation von Institutionen, Unternehmen und Großveranstaltungen immer noch prägt.

Vor allem entwickelte er die Piktogramme, die rudimentär schon vorher verwendet wurden, als zentrales Wegesystem weiter. Es war so erfolgreich, dass moderne Infrastruktureinrichtungen wie Flughäfen, Bahnhöfe und Verwaltungsgebäude weltweit ohne diese Bildzeichen gar nicht mehr denkbar sind. Piktogramme reduzieren komplexe Sachverhalte und sind zugleich universell einsetzbar. Die Beherrschung einer fremden Sprache ist nicht erforderlich, um die transportierten Inhalte zu verstehen.

Steve Jobs lernt Kalligraphie

Ebenfalls 1972 hatte rund 8.700 Kilometer Luftlinie von München entfernt in Portland/Oregon ein junger Mann ein Erlebnis, das für die Entwicklung der heutigen computerbasierten Welt visuell ebenso bahnbrechend sein sollte wie die Piktogramme. Dieser Mann hieß Steve Jobs und nahm im Olympia-Jahr ein Studium am Reed-College auf.

Schon nach wenigen Wochen wurde ihm klar, dass ein College-Studium nichts für ihn ist. Da er aber – wir sind in den USA – Studiengebühren bezahlt hatte und diese nicht verfallen lassen wollte, besuchte er von nun an nur noch Kurse, an denen er Interesse hatte. So belegte er Kalligraphiekurse und lernte alles über die Schönheit von Schriften. Möglicherweise hat er sich dabei auch gefragt, warum die Zeichen aufwendig von Hand gezeichnet werden müssen und ob das nicht einfacher mit einer Maschine geht.

Steve Jobs selbst hat 2005 in einer Rede darauf verwiesen, wie wichtig dieses Studienerlebnis im Hinblick auf den Entwurf des ersten Macs war. In der Folge kann auch die Entwicklung der grafischen Benutzeroberflächen für das Betriebssystem von Apple hierauf zurückgeführt werden.

Und mit dem ersten iPhone und den Icons als Symbol für die einzelnen Anwendungen, heute Apps, hat es sich endgültig durchgesetzt, grafische Bildzeichen für die Benutzerführung in der digitalen Welt zu verwenden. Smartphones sind ohne Icons undenkbar. Letztlich sind Icons für die Wegeführung in der digitalen Welt eben nichts anderes als die Piktogramme in der realen Welt.

Somit gab es im Olympia-Jahr 1972 zwei Weichenstellungen, die für das Sehen und Wahrnehmen und für die Orientierung in unserer immer komplexer werdenden Welt nach wie vor prägend sind.

Axel Rhein

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Axel Rhein
Geschäftsführer der IW Medien

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